Übernachtung beim größten Teleskop Deutschlands auf dem Wendelstein (Teil 2)

Vier Schüler:innen des LTG gewannen im Dezember 2023 den Exoplaneten-Wettbewerb. Endlich durften sie als Belohnung auf dem Wendelstein übernachten und dort Teleskope benutzen. Die Erzählung über den 1. Teil, die Einladung nach München mit der Preisverleihung, findet sich ein paar Artikel vorher: Link

Nachdem die versprochene Exkursion auf den Wendelstein im Dezember wegen Sturm nicht stattfinden konnte, wurde sie jetzt endlich nachgeholt.
Aber wie! Die Schüler:innen durften mit Ausnahmegenehmigung des Direktors der Sternwarte sogar über Nacht bleiben!

Hier wird erzählt, was sie erlebt haben:

1. Moritz Wallner gibt uns einen Überblick über das Event:

Ende November war für uns (Paulina Huy (Q12), Greta Wruk, Leonhard Mühlberger und Moritz Wallner (alle 11b)) Einsendeschluss für den Schüler-Wettbewerb „Exoplaneten selbst erforschen“ der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Wir alle besuchen schon seit einigen Jahren den Wahlkurs Astronomie, und haben uns deswegen, als der Leonhard den Wettbewerb vorgeschlagen hat, an dieser Herausforderung versucht.

Fast ein halbes Jahr haben wir zusammen an einer 20-seitigen Ausarbeitung, sowie an einem Erklärvideo gearbeitet. Dementsprechend groß war die Freude, als wir erfahren haben, dass wir im deutschlandweiten Wettbewerb den 2. Platz erreicht haben. Als Teil des Preises wurden wir zusammen mit den erst- und drittplatzierten Gruppen aus Berlin und Köln für drei Tage an die LMU nach München eingeladen. Dort waren eine Preisverleihung im Audimax-Hörsaal der LMU, eine Vorlesung von Harald Lesch, sowie Führungen verschiedener Forschungseinrichtungen, der Sternwarte der LMU, der ESO-Supernova in Garching, und nicht zuletzt eine Fahrt zum Wendelstein Observatorium - dem größten Teleskop Deutschlands - geplant. Am Morgen nach der Preisverleihung erreicht uns dann aber die Nachricht, dass es einen Sturm am Wendelstein gibt und dass die Zahnradbahn, die wir eigentlich genommen hätten, nicht hochfährt. Normalerweise wäre das kein Problem, denn es gibt auf der anderen Seite des Berges eine Seilbahn, aber diese wird an genau diesen Tag gewartet. Dadurch musste die Fahrt abgesagt werden. Obwohl wir alle etwas enttäuscht waren, wird die nun frei gewordene Zeit durch einen Besuch einer Vorlesung von Prof. Lesch und von unserem Betreuer Dr. Arno Riffeser, der uns Einblicke in die Arbeit eines Astronomen gab, gut ausgefüllt. Am Abend verspricht uns Arno, zu versuchen, einen Ersatztermin zu finden.  

Mitte Januar teilt uns Arno dann per E-Mail mit, dass wir trotz großer Bedenken des Direktors der Sternwarte eine Nacht mit ihm auf den Wendelstein kommen dürfen, auch wenn es normalerweise Besuchern von Führungen nicht gestattet ist, zu übernachten. Diesmal ist auch Christine Freitag, eine Masterstudentin und eigentliche Betreuerin des Wettbewerbs mit dabei. Sie war im Dezember an Corona erkrankt und wurde dort durch Dr. Riffeser ersetzt. Beide haben schon viele Nächte am Observatorium gearbeitet, so konnten sie uns das ganze Observatorium zeigen und haben uns viele, oft auch technische Aspekte, sehr anschaulich erklärt. 

2. Paulina Huy erläutert uns den Ablauf der Exkursion:

Unser Tag startete am Mittwoch, den 31.1.24, wie gewöhnlich in der Schule, mit der Ausnahme, dass es diesmal nicht wieder zurück nach Hause sondern direkt zur Talstation der Wendelstein-Zahnradbahn ging. Nach kurzem Treffen und etwa halbstündiger Fahrt mit Spitzenausblicken ging das Abenteuer dann endlich los.

Direkt nach der Ankunft in der Bergstation konnten wir die einmalige Gelegenheit nutzen, nicht zu Fuß, sondern mit einem Aufzug den Gipfel des Wendelsteins zu erreichen. Nach einer kurzen Tour über das Gelände und etwas Sonnenbaden im Schnee durften wir das Sonnenteleskop bedienen und besichtigten im Anschluss das grosse 2m-Teleskop.

Als es dann dunkel wurde, konnten wir endlich mit den Beobachtungen beginnen. Nach einer kurzen Einweisung in die Computerprogramme und die Benutzung der verschiedenen Filter des 40cm Teleskops war es uns möglich, verschiedene Galaxien, Nebel und Sternhaufen zu fotografieren und mit etwas Übung sogar verschiedene Strukturen in diesen Objekten sichtbar zu machen.

Zwischendurch gab es dann auch selbstgekochtes Essen und eine kleine Sternbeobachtung im Freien. Der Wind und die Kälte hielten diese jedoch in Grenzen, was uns aber nicht davon abhielt, bis ca. 5 Uhr morgens verschiedene Objekte wie die Andromedagalaxie oder den Ringnebel begeistert anzuvisieren. Mit professioneller Hilfe konnten wir ein paar unserer Bilder sogar zu einem einzelnen, scharfen Farbbild entwickeln. Zusätzlich konnten wir während der Nacht auch dabei zusehen, wie mit dem großen Teleskop gearbeitet wurde, was uns einen einmaligen Einblick in die aktuelle Forschung der Astrophysik bot.

3. Greta Wruk beschreibt uns die drei Teleskope, die auf dem Wendelstein stehen:

Auf einer Höhe von 1838 m durften wir die drei verschiedenen Teleskope des Wendelsteinobservatoriums besichtigen.  

Das älteste Teleskop ist der 1963 in Betrieb genommene Koronograph, welcher eine Öffnung von 20 cm besitzt und zur Beobachtung der Atmosphäre und der Aktivität der Sonne diente. Durch die Erzeugung einer künstlichen Sonnenfinsternis ließen sich damit Aufnahmen von Protuberanzen, also Materieauswürfen, die sich in Form von Bögen am Sonnenrand beobachten lassen, machen. Dies ermöglichten spezielle kegelförmige Blenden. Dadurch, dass sich der Abstand zwischen Sonne und Erde aufgrund der elliptischen Umlaufbahn der Erde über das Jahr hinweg verändert, besitzt das Observatorium mehrere verschiedener Größe. Das Sonnenteleskop lässt sich nur manuell vor Ort steuern und wird heutzutage nur noch zu Ausbildungszwecken oder im Rahmen von Führungen eingesetzt. Wir konnten die Sonne leider nicht mehr durch den Koronograhen beobachten, da diese bereits zu tief stand. Stattdessen richteten wir das Sonnenteleskop um Mitternacht auf den Mond und konnten uns diesen dadurch im Detail ansehen.  

Außerdem befindet sich auf dem Wendelstein in einer 3,2 m großen Kuppel ein 43cm-Teleskop mitsamt einem kleinen Spektrographen. Dieses dient ebenfalls zu Ausbildungszwecken und lässt sich mittels selbstgeschriebener Python-Programme auch von der LMU aus steuern. Während unseres Aufenthalts stand uns dieses Teleskop für Beobachtungen zur freien Verfügung!

Der große Stolz des Observatoriums ist das 2,1 m Fraunhofer Spiegelteleskop. Ursprünglich besaß der Spiegel eine 5 cm breite Umrandung und maß damit nur 2 m, denn im Außenbereich des Spiegels lässt sich dieser schlechter schleifen und der für die Aufnahmen nötige Feinschliff kann dadurch nicht hundertprozentig gewährleistet werden. Die Betreiber des Observatoriums entschieden sich jedoch für die Abnahme der Umrandung, da sich dadurch die Spiegelfläche um 0,322 Quadratmeter vergrößert. Mit dem Teleskop werden wissenschaftliche Messergebnisse aufgezeichnet, während unseres Aufenthalts beispielsweise Transits von Exoplaneten. Um möglichst gute Aufnahmen zu erhalten, durften wir, z.B. wenn wir draußen waren, nicht unsere Taschenlampen anschalten. Zum Teleskop gehört außerdem eine Weitwinkelkamera, die mit flüssigem Stickstoff mit einer Temperatur von – 196 °C gekühlt wird und ein Spektrograph.

4. Leonhard Mühlberger erklärt uns, wie Bilder von Galaxien erstellt werden:

Doch wie entstehen nun die so bekannten Bilder von Galaxien, Sternenhaufen oder Planeten? 

Zuerst muss man sich damit befassen, was man überhaupt fotografieren möchte, dabei gibt es einige Einschränkungen. Beispielsweise ist zu beachten, dass das Objekt zur Beobachtungszeit am Himmel sichtbar ist und nicht zu tief über dem Horizont steht. Außerdem darf der Himmelskörper nicht zu dunkel sein, da er sonst nicht vom Teleskop erfasst werden kann. In unserer Beobachtungsnacht hat uns zusätzlich der starke Wind am Berg Probleme bereitet. Richtet man das 43 cm-Teleskop in Windrichtung, so kann es durch die kleinere Montierung leicht wackeln. Das kann wiederum die Mechanik und das Teleskop beschädigen. Wir mussten also mit Objekten am Osthimmel vorlieb nehmen.  

Hat man einen geeigneten Himmelskörper gefunden, muss dieser mit dem Teleskop aufgesucht werden. Am Wendelstein-Observatorium funktioniert das mit hochpräzisen Motoren, die den Spiegel bewegen. Die Position wird durch das äquatoriale Koordinatensystem in den Computer im Beobachtungsraum eingegeben. Von Vorteil ist hierbei, dass diese Koordinaten unabhängig von der Drehung der Erde sind und durch die automatische Nachführung der Aufhängung lange Belichtungszeiten möglich sind.  

Nun kann eine erste Testaufnahme erstellt werden, mit der überprüft wird, ob man tatsächlich den gewünschten Ausschnitt getroffen hat und ob der Fokus stimmt. Meistens ist letzteres nicht der Fall: Im Testbild zeigt sich dies dadurch, dass die kreisrunden Sterne, die immer im Hintergrund zu sehen sind, elliptisch verzerrt sind. Doch wodurch ändert sich der Fokus?  

Ob ein Objekt scharf im Teleskop erscheint, wird von der Lage des Hauptspiegels zum Sekundärspiegel beeinflusst. Diese müssen exakt übereinander liegen. Leider wird dies durch die Temperaturunterschiede am Berg immer wieder verändert. Denn schon die temperaturbedingte Längenausdehnung der Metallstreben am Sekundärspiegel reicht aus, um die Bilder unscharf zu machen. Um das zu beheben, wird eine sog. Fokusreihe aufgenommen, das heißt, dass das Teleskop eigenständig zehn Aufnahmen tätigt, bei jeder aber die Position des Fangspiegels leicht verändert. Durch die automatische Auswertung wird dann mittels eines quadratischen Zusammenhangs die optimale Spiegelanordnung errechnet und anschließend direkt eingestellt.  

Jetzt kann endlich fotografiert werden, man steht aber schon vor der nächsten Herausforderung: die Farben. Wir nehmen mit unseren Augen nur Strahlung der Wellenlänge 400 nm bis 780 nm wahr, das Teleskop kann aber viel mehr Licht aufnehmen. Durch entsprechende Filter können beispielsweise nur Photonen aus dem infraroten Bereich durchgelassen werden. Das ermöglicht uns einen völlig neuen Blick auf Galaxien, den wir sonst nie haben würden. Mit speziellen Filtern, wie dem H-alpha-Filter, kann man für uns unsichtbare Wasserstoffwolken in Spiralarmen oder Sternentstehungsgebieten sichtbar machen. Um ein möglichst facettenreiches Bild aufzunehmen, macht man mehrere Aufnahmen mit unterschiedlichen Filtern. Unserem Bild der Andromedagalaxie (M31) lagen jeweils drei Bilder mit einen Rot-, Grün- und Infrarot-Filter zugrunde.  

Um dies aus den Rohdaten der Fotografien zu erzeugen, ist eine aufwendige Bildbearbeitung nötig. Dabei werden erst alle Einzelbilder separat bearbeitet und dann zu einem Gesamtbild zusammengefügt. Zuerst werden die Werte aller schwarzen Pixel auf den Wert 0 normiert, da diese durch die Auslesung der Potentialtöpfe mit elektrischer Spannung standardmäßig höher liegt (overscan subtraction).

Anschließend wird das Ausleserauschen des Sensors abgezogen (masterbias subtraction), die kaputten Pixel der Kamera werden ausgelesen und ebenfalls entfernt (masterdark subtraction).  

Nun müssen die Pixelwerte noch über alle Pixel normiert werden, das wird mithilfe einer Referenzaufnahme, die zuvor angefertigt wurde, erreicht (flat fielding). Daraufhin werden die Bilder übereinandergelegt und die Farbgebung angepasst. Dazu wird eine Farbskala über einen gewissen Bereich an Pixelwerten gelegt und durch das Minimum und Maximum des Bereichs wird definiert, welche Farbe ein Pixel bekommt. Das Endergebnis kann exportiert werden.  

Unser Bild der Andromedagalaxie enthält so viele Daten, dass es ursprünglich 42 MB groß ist und eine Auflösung von 8000 x 5000 Pixeln besitzt (siehe unten, speicherreduziert).
 

5. Abschluss:

Die Exkursion auf den Wendelstein wurde zu einem großen Teil durch Dr. Arno Riffeser ermöglicht, der die Leitung der Sternwarte trotz ihrer Bedenken überzeugen konnte, die Übernachtungen unserer Schülergruppe zu erlauben. Er hat neben seiner Arbeit in der Nacht am Observatorium ausreichend Zeit gefunden, mit sichtlicher Freude alles sehr ausführlich und anschaulich zu erklären. Es war faszinierend zu sehen, wie wissenschaftliche Arbeit im Bereich der Astronomie abläuft und wie die Teleskope funktionieren. Vor allem war aber die Möglichkeit, Bilder mit dem großen 43cm Teleskop selbst zu machen, ein einmaliges Erlebnis!

Als betreuender Lehrer wurde mir durch die Arbeit der Schüler die - auch für mich einmalige - Möglichkeit gegeben, den wissenschaftlichen Betrieb einer renommierten Sternwarte aus erster Hand zu erleben. Für mich als Lehrer ist so ein Erlebnis nicht nur persönlich äußerst bereichernd, auch mein Unterricht profitiert vom Erzählen des Erlebten: welche Schüler interessieren sich nicht für Berichte aus dem Universum? Wer hört nicht aufmerksam zu, wenn beschrieben wird, wie ein 22 Tonnen schweres Teleskop per Hubschrauber auf die Spitze des Wendelstein gesetzt wurde?

Themen der Astrophysik sind im Physiklehrplan der 7., 11. und im Grundkurs Astrophysik Q13 enthalten. Die Astronomie bietet vielfältige Gelegenheit, in motivierenden Themen die wissenschaftliche Arbeitweise kennenzulernen und Schüler für Wissenschaft und Technik zu interessieren und zu begeistern. Sie ist Fundament für ein tragfähiges modernes Weltbild wider allen Querdenkern.

In unserem (Teil-)Regierungsbezirk Oberbayern/Ost gibt es 55 Gymnasien. Davon haben schon 6 (Laufen, Miesbach, Mühldorf, Freising, Neufahrn und Unterföhring) eine eigene Sternwarte mit Kuppel auf dem Schuldach. Es wird Zeit, dass auch das LTG seine eigene Sternwarte bekommt.

Die vier beteiligten Schüler:innen wollen alle Physik bzw. Mathematik studieren.

Korbinian Seidel (betreuender Lehrer)