Unserer ehemalige Schülerin Corinne Cichacki zu Besuch am LTG: „Niemand darf es wissen“ – Leben mit HIV

Am 14.02.2020 besuchte uns unsere ehemalige Schülerin Corinne Cichacki, die 2014 am LTG Abitur machte und sich im Jahr darauf als HIV-positiv outete.

Dass Corinne Cichacki von Geburt an HIV-positiv ist, war lange Zeit ein geschütztes Geheimnis. Infiziert hat sie sich bei ihrer Mutter, die starb, als Corinne sechs war. Nur sehr wenige wussten davon, sie selbst ausgeschlossen. Erst nach ihrer Schullaufbahn und bestandenem Abitur 2014 erfuhren es auch ihre Mitschüler. Anlass dafür war die Veröffentlichung der Langzeitdokumentation „Niemand darf es wissen“ im Jahr 2015. Die Regisseurin Maike Conway hatte Corinne 10 Jahre lang mit der Kamera begleitet, um ihr Leben als HIV-positives Kind zu zeigen. Als Begründung für die Kamera sagten die Familie und die Regisseurin dann immer, es handle sich um eine Langzeitdokumentation über Corinne als Pflegekind. Die ehemalige LTG-Schülerin kam jetzt für eine besonderen Besuch zurück ans LTG. Für alle Schülerinnen und Schüler der elften Jahrgangsstufe gab es eine Filmvorführung der Dokumentation „Niemand darf es wissen“, die in einem zehnjährigen Filmprojekt von der Regisseurin Maike Conway über Corinne Cichacki gedreht wurde. Nach dem Film standen Corinne Cichacki und Maike Conway für Fragen zur Verfügung. Von dem Film und von den Erzählungen Corinnes selbst war die Q11 sehr bewegt.

 

Heute wisse sie es zu schätzen, so Corinne, dass ihre Pflegeeltern darauf bestanden haben, über die Krankheit bis zum Abitur zu schweigen. Sie sei nach dem Abitur ins Ausland gegangen, erzählt sie auf Nachfrage einiger Schüler. „Die wohl extremste Reaktion auf den Film über mich war, dass einige ehemalige Mitschüler einen HIV-Test machen ließen”, so Corinne weiter. Sie wisse, dass sie nicht ansteckend sei. Der Virenanteil in ihrem Blut sei sehr gering. Medikamentös sei sie sehr gut eingestellt, sei nehme zwei Tabletten am Tag und alle drei Monate gehe sie zu einem Bluttest.

Heute empfinde sie es als befreiend, offen darüber reden zu können: „Es war das Schlimmste, dass ich lange darüber nicht reden konnte. Aber wenn ich mich früher geoutet hätte, wäre das das Schulgespräch gewesen. Ich weiß nicht, wie Lehrer und Eltern darauf reagiert hätten.”

Eine Szene blieb den Elftklässlern besonders in Erinnerung. Corinne möchte bei einem Schul-Spendenlauf für aidskranke Kinder mitlaufen, weiß aber noch nicht, warum sie täglich Medikamente einnehmen muss. Für ihre Pflegemutter der Punkt, dem Mädchen die Wahrheit zu sagen, denn sie läuft praktisch für sich selbst. Doch blieb es für ihr Umfeld ein Geheimnis - zum Schutz.

Ein Schüler will wissen, wie das Umfeld - Corinne arbeitete als Animateurin im Robinson-Club auf Fuerteventura nach dem Abitur, als der Film erschien - reagiert habe. Es sei für sie sehr erleichternd gewesen, als ihr vom Team vor Ort angefangen bis in die höchste Etage hinauf signalisiert worden sei, dass man komplett hinter ihr stehe. Einen anderen Schüler interessierte, wie Freunde und Schule auf die Kamera reagiert hätten. „Hat Sie das nie genervt?” Als Kind habe sie es natürlich „megacool” empfunden, später habe sie die Kamera oft genervt, aber letztendlich durfte sie beim Film sehr viel mitbestimmen. Als der Film herausgekommen sei, hätte sie die unterschiedlichsten Reaktionen ihrer ehemaligen Mitschüler erfahren.

Wie sie aktuelle lebe und was sie sich wünsche? Corinne hat einen Freund, dem sie gleich von Anfang an mitgeteilt habe, dass sie HIV-positiv sei. „Mein größtes Glück wäre es, gesunde Kinder zu bekommen.” Dies ist möglich, nur stillen dürfte sie dann nicht.

Corinne Cichacki liegt die Aufklärungsarbeit in Bezug auf gesellschaftliche Aspekte ihrer Krankheit sehr am Herzen. So war Toleranz ein großes Thema bei der Diskussion, deren Wichtigkeit auch seitens der Schüler immer wieder hervorgehoben wurde.

Wir danken Corinne Cichacki und Maike Conway für den Besuch und ihre Offenheit.